Recap & Outlook
München, 12 Januar 2023
Das Börsenjahr 2022 ist vorbei …es kann nur besser werden
Zu den, im negativen Sinne, prägenden Personen des vergangenen Börsenjahres gehörten ohne Zweifel Russlands Präsident Wladimir Putin und der Chef der US-amerikanischen Notenbank (FED) Jerome Powell. Während der eine es schaffte uns die Verwundbarkeit der globalen Rohstoff- und Energieversorgung vor Augen zu führen, verdeutlichte uns der andere, dass die Jahre des billigen Geldes und exzessiven Verschuldens nun vorbei sind. Beide Personen waren es auch die durch Ihr politisches Handeln einen maßgeblichen Einfluss auf die Inflationsentwicklung im letzten Jahr nahmen.
So zwang Putin durch seinen Krieg in der Ukraine den Westen dazu mit wirtschaftlichen Sanktionen reagieren zu müssen. Diese „Loose-Loose“ Situation lies in kürzester Zeit die Preise für Industriemetalle und Getreideexporte rasant steigen und später auch die Preise für fossile Energieträger wie Gas nahezu explodieren. Eine Entwicklung, welche die Inflation in Europa bis in den Herbst hinein auf über 10% ansteigen ließ.
Auf der anderen Seite des Atlantiks begann die FED zu Jahresbeginn Ihren Kampf gegen die steigende Inflation und erhöhte den US-Leitzins bis Jahresende um mehr als 4%. Dieses forsche Vorgehen der US-Notenbank lies nicht nur die Inflation in den USA in der zweiten Jahreshälfte deutlich sinken, sondern diente auch anderen Notenbanken wie der EZB als Blaupause für die zinspolitische Wende.
Auch der US-Dollar ließ sich von der starken Zinspolitik der FED beeindrucken und startete bis in den Sommer hinein eine starke Aufwertungsrally, die letztlich im Erreichen der EUR/USD-Parität im August gipfelte. Mitunter verantwortlich für diese US-Dollar-Rally war auch die sich in Q2 verschärfende Energieproblematik in Europa, als Gaslieferungen plötzlich ausblieben und energieintensive Industrien von heute auf morgen eine Rationierung befürchten müssten.
Auch die Privathaushalte konnten sich der Energieproblematik nicht entziehen und wurden mit steigenden Strompreisen konfrontiert, was in Deutschland eine Grundsatzdebatte über die Preisbildung am Strommarkt auslöste. Auch die klimatischen Bedingungen trugen Ihr Übriges zur Energieproblematik bei und zwangen mit ausbleibenden Niederschlägen mitunter die Energiekonzerne aus Frankreich dazu ihre Atomkraftwerke phasenweise vom Netz nehmen zu müssen, was zeitweilig in einer Verzehnfachung des Strompreises mündete. Zu den wenigen Profiteuren dieser Entwicklung gehörten diejenigen Unternehmen und Staaten, die dazu beitrugen, die Flüssiggasspeicher Europas in „nachbarschaftlicher Hilfe“ und zu „freundschaftlichen Konditionen“ zu befüllen. Weniger weltoffen und unterstützend zeigte sich hingegen die chinesische Regierung, die im Laufe des Jahres Ihre kommunistisch geprägte Agenda weiter vorantrieb und ihren wirtschaftlichen Fokus eher auf die Entwicklungen im
eigenen Land legte. Auch China war es, die das in den westlichen Staaten eher in den Hintergrund gerückte Thema Corona wieder in den medialen Fokus brachte, indem es seine strenge Lockdown-Politik aus den Vorjahren weiter fortführte und ganze Städte zeitweise zum „Schutz [und zum Unmut] der Bevölkerung“ abriegelte.
Ein solchen Schutz hingegen hätten sich die Kunden der zweitgrößten KryptoBörse „FTX“ gewünscht, deren Insolvenz den im Jahr 2022 ohnehin leidgeplagten Krypto-Anlegern zum Teil einen Totalverlust Ihres Investments bescherte. Zwar keinen Totalverlust, wohl aber deutliche Kursverluste mussten die Investoren USamerikanischer Technologieaktien im vergangenen Jahr verkraften. Aber auch der Anleihemarkt musste ungewohnt recht hohe Kursverluste hinnehmen. Rohstoffseitig konnte man als Anleger in der ersten Jahreshälfte nicht viel verkehrt machen, weder mit Direktinvestments noch mit Rohstoffaktien. Insgesamt lässt sich sagen, dass man als Börsianer im letzten Jahr ein recht schwieriges Jahr hatte, das stark von politischen Ereignissen geprägt war. Von einem erfolgreichen Jahr konnte man als Anleger schon bei Kapitalerhalt sprechen, von einem herausragenden Jahr hingegen nur, wenn auch der Kaufkrafterhalt sichergestellt werden konnte. Trotz des insgesamt recht
negativen Kapitalmarktjahres 2022, gab es mit dem Börsengang der Porsche AG auch einen kleinen Lichtblick, der einem aus Anlegersicht auch Hoffnung für ein besseres Börsenjahr 2023 machen kann.
Was kann man von 2023 erwarten?
Die vielen thematischen Brandherde und Großbrände aus dem Jahr 2022 haben sich in den letzten Quartalen auch entsprechend in der Entwicklung der Aktien und Anleihemärkte widergespiegelt. Für das neue Jahr 2023 ist die Vermutung daher groß, dass die Mehrheit der Anleger die prägenden Themen des Vorjahres wie Inflation, Zinswende und Krieg inzwischen verdaut haben dürfte und ein erneutes Aufflackern dieser Brandherde den Großteil der Anleger nicht noch einmal im gleichen Ausmaß überraschen sollte. Kurz gesagt, es sollte bereits viel Negatives in den aktuellen niedrigen Aktienkursen inbegriffen sein.
Die Jahresanfangsrally, die wir derzeit am europäischen Aktienmarkt sehen und die jüngste Kurserholung bei Unternehmensanleihen mit schlechter Bonität, könnte diese These stützen. Hinzu kommt, dass viele Kapitalmarktexperten der Ansicht sind, dass das Schlimmste in Sachen Inflation und Börsenkorrektur bereits hinter uns liegt.
Wirtschaftsexperten hingegen befürchten, dass sich das gestiegene Kostenniveau aus den letzten Quartalen erst im Jahr 2023 in den Bilanzen vieler Unternehmen bemerkbar machen dürften und dieser Aspekt von vielen Kapitalmarktanalysten bislang in deren Gewinnerwartungen noch weitestgehend unberücksichtigt blieb. Einigung herrscht zwar darüber, dass das Weltwirtschaftswachstum sich in diesem Jahr verlangsamen wird, unklar ist jedoch in welchem Ausmaß die US-amerikanische Wirtschaft zu dieser Verlangsamung beitragen wird, da sich die Anzeichen einer Rezession zuletzt mehrten. Eine Rolle in dieser Überlegung spielt auch der Immobilienmarkt, der in den USA und in China eine wirtschaftlich tragende Rolle innehat.
Die nach wie vor expansive Notenbankpolitik Chinas und die zuletzt wesentlich wirtschaftsoffenere Haltung der kommunistischen Regierungspartei, gibt hingegen Anlass zur Hoffnung, dass China zu einem (kleinen) Stützungsfaktor für die Weltwirtschaft werden könnte. Auch der zuletzt wieder schwächere US Dollar, gesunkene Frachtraten im Warentransport und rückläufige Energiekosten können hier stützend angeführt werden. Die Zinspolitik der Notenbanken, insbesondere der US-amerikanischen FED, wird auch im neuen Jahr weiterhin eng verbunden sein mit der Inflationserwartung. Auch hier hatte die FED zuletzt wieder betont, im Kampf gegen die hohe Inflation auch das Risiko einer rezessiven Wirtschaft in Kauf nehmen zu wollen. Was also aus Anlegersicht tun?
Wie auch im letzten Jahr dürfte es für 2023 ratsam sein, Investments vorerst „auf Sicht“ zu tätigen, sprich bei Investments nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern jederzeit bereit sein die Reisleine ziehen zu können. Eine gute Absicherung und Liquiditätssteuerung bleiben daher aus Anlegersicht auch weiterhin wichtig. Für den langfristig orientierten Investor oder „Buy-and-Hold“ Strategen bieten sich nach der schlechten Börsenperformance im letzten Jahr nun Chancen, gerade im Technologiesektor, einen ersten Fuß in die Tür zu bekommen.

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